Wer als Kind die Filme von Pipi Langstrumpf gesehen hat, wird sich bei unseren Fotos im letzten Blogpost „Die Luft ist raus“ vielleicht daran erinnert haben, obwohl Roros ja in Norwegen ist. Dort wurde tatsächlich der Pipi Langstrumpf Film „Pipi geht von Bord“ gedreht! Roros hat uns sehr gut gefallen – auch, weil dort richtig Winter war und ausnahmsweise keine anderen Touristen. War Lappland durch Direkt- und Charterflüge nahezu „überfüllt“ und schwierig, dort ein freies Bett zu finden, herrschte hier wohltuende Ruhe.
Der Abschied von Roros fiel schwer, aber wir hatten einen tollen Tag vor uns. Um Schnee und Eis nochmal richtig mit den Motorrädern zu genießen, hatten wir uns eine 275km lange Etappe durch die Wälder und Berge heraus gesucht, auf denen wir uns noch ein allerletztes Mal mit unseren Spikes austoben wollten. Und es war so schön! Sonne schien in Norwegen auch im Süden gerade „aus“ zu sein, aber der viele Schnee entschädigte für dieses kleine Manko.
Einige Kilometer schneite es in dicken Flocken und bei angenehmen Temperaturen um die 0°C ließen wir unsere zwei Süßen durch die weiße Winterlandschaft fliegen, dass das Herz fast überquoll vor Spaß und Freude! Nur ein Mal hatten wir etwa 15km mit tiefen Eis-Spurrillen zu kämpfen, die dick im Neuschnee versanken und daher völlig unsichtbar für eine recht „schaukelige“ Fahrt sorgten. Wir erinnerten uns an die Worte des Busfahrers in Finnland, der uns vor der Einreise nach Norwegen über die winterlichen Straßenverhältnisse mit „Norway is not Finland!“ warnte. Nach einigen tausend Kilometern in Norwegen, Finnland und Schweden müssen wir dem Busfahrer recht geben: die gepflegtesten Eistraßen haben die Finnen, gefolgt von den Schweden.
Nichtsdestotrotz können wir sagen: nichts hat uns zu Fall gebracht! Wir haben die komplette Eisreise sturzfrei geschafft – sicherlich aber auch, weil für die täglich wechselnden teils doch etwas anspruchsvolleren Untergründe ein gewisses Fahrkönnen nötig (und vorhanden) war. Ich glaube, jeder von uns hat mehr als 1x pro Tag ein ausbrechendes Hinterrad wieder einfangen müssen, ein sich dumm einfädelndes Vorderrad wieder auf Kurs gebracht oder eine schlingernde Fuhre stabilisiert. Wir sind uns sicher, dass wir dies nur deshalb völlig entspannt und routiniert „nebenbei erledigt“ haben, weil wir beide über eine gewisse Rallye-Erfahrung verfügen. Auch, wenn das viele für ein gefährliches Hobby halten: uns hat es eine sichere, unfallfreie und sturzfreie Fahrt auf Schnee und Eis gebracht!
Bevor wir die letzte Nacht in der „Zivilisation“ in Oslo verbrachten, wollten wir noch ein letztes Mal in einer Holzhütte übernachten, uns „Hüttenessen“ kochen und ein letztes Mal „Skandinavienromantik“ genießen. Wir fanden „Moyrud“, zwei unter Denkmalschutz stehende Holzhäuser aus dem Jahre 1800, in denen man übernachten konnte. Es handelte sich dabei um „Sklavenhäuser“, die vor über 200 Jahren überall in Norwegen von den Bauern für ihre „Leibeigenen“ inmitten ihrer Felder gebaut wurden. Die „norwegischen Sklaven“ lebten dort mit bis zu 8 Personen und schufteten ohne Lohn für die Bauern. Wurden sie zu alt oder arbeitsunfähig, wurden sie einfach auf die Straße gesetzt.
Diese beiden geschichtsträchtigen Häuschen wurden von unserer Gastgeberin liebevoll eingerichtet vermietet und wir kamen aus dem Entdecken so vieler liebevoller Details nicht heraus. Ein absoluter Glücksgriff für unsere letzte „Hüttennacht“!
Schon die ganze Nacht wütete draußen mal wieder der Sturm, der Regen mit sich brachte, sodass beim Aufwachen kein Schnee mehr da war. Wir genossen das beste Frühstück der Reise, das uns von der so herzlichen Vermieterin zubereitet wurde: uns fehlte es an nichts – im Gegenteil, wir überfraßen uns maßlos an den vielen hausgemachten Leckereien!
Wir ließen uns Zeit mit der Abfahrt, denn auf uns warteten nur noch 120km nach Oslo, wo wir ein Zimmer in einem voll automatisierten Hotel ohne Menschen reserviert hatten. Die Fahrt nach Oslo zog sich wie Kaugummi. Statt Schnee gab es nur Regen und aus irgendeinem Grund hatte man einen Schneepflug auf die Straße geschickt, der mit 60km/h vor uns her schlich und imaginären Schnee von der Straße putzte. In einem Tunnel gelang uns das Überholen – und nun überholte man uns, denn mit den Spikes wollten wir nicht schneller als 90km/h fahren.
Jeder, der uns überholte, brachte ein „Wellnesspaket“ über uns: eine Ladung Spritzwasser nach der anderen ergoss sich über uns. Nicht irgendein Spritzwasser, sondern satte Salzbrühe, wir wurden samt unserer Motorräder dick in Salz gepökelt. Soll ja haltbar machen, allerdings nicht unsere Motorräder: weil wegen Winter (welcher Winter?) keine Hochdruckreiniger verfügbar sind, rosten die beiden nun traurig vor sich hin und lassen das Salz munter aufblühen… Das waren eindeutig die blödesten Kilometer der Reise – gekrönt von einem schönen Stau!
In Oslo liefen wir im Dunklen hoch zum Schloss, wo alles seinen Anfang nahm: hier hatte mir Jan am 28.12.2015 die entscheidende Frage gestellt, dessen Resultat diese magische Hochzeitsreise ist! Zum Abschluss des Abends hatten wir in dem indischen Restaurant einen Tisch reserviert, in dem wir nach meiner eindeutigen Antwort damals essen waren. Ein schöner Abend!
Am frühen Nachmittag des 11. Januar fuhren wir an Bord der „Color Fantasy“, in dessen Terminal im Dezember 2015 die Idee zu dieser Hochzeitsreise entstand. Was damals nach „verrückter Idee“ klang, entwickelte sich dann doch recht schnell zu einem konkreten Plan und einem „Projekt“, was uns schon in der Vorbereitung sehr viel Spaß bereitet hat. Nun standen wir im Hafen von Oslo und waren ratlos: was könnte unsere nächste „verrückte Idee“ sein, die sich zu einem „Projekt“ entwickelt und so viel Spaß bringt? Unsere Winterausrüstung ist top und die Spikes und Reifen noch fast neu. Wir sind also quasi „ready to go“ – bloß wohin? Wer von Euch hat eine Idee, was unser nächstes „Eisreise-Projekt“ werden kann? Wir freuen uns auf Eure allerverrücktesten Vorschläge!
Und wieder hatten wir Glück: es war kein Druckfehler, dass auf unserer Bordkarte „3* outside cabin“ stand, wir hatten wirklich wieder eine luxuriöse Außenkabine bekommen! Weniger Glück hatten wir – natürlich – mit dem Wetter. Schon im Oslofjord windete es stark und die See türmte sich schäumend um das Schiff auf.
Wir hatten zum Abschluss der Reise einen Platz im a la carte Bordrestaurant reserviert, wo ich nach der Hälfte meines sehr leckeren Fischgerichtes sicherheitshalber aufgeben musste, weil mir unwohl wurde. Zur Show saßen wir dann im Bug des Schiffes, das durch die Wellen sprang, sodass ich es doch vorzog, auf die Show zu verzichten und die Kabine aufzusuchen, um nicht doch noch Gebrauch der Kotzetütchen machen zu müssen. Gegen Abend beruhigte sich komischerweise die See wieder und mir ging es wieder prima, obwohl wir Richtung Dänemark in den Skagerrak einfuhren. Das norwegische Wetter war ganz klar gegen mich. Alles klar, ich habe verstanden: ich komme nicht mehr wieder. In die Finnmark, nach Lappland oder den hohen Norden Finnlands müssen wir aber bald nochmal hin: zum Snowmobile fahren!
Bei spiegelglatter See liefen wir in Kiel ein. Ein kurzer Rundumblick im Hafen: keine Polizei – also heimlich los mit den Spikes 5km durch die Stadt bis zur Uni, wo Bernd vor 3 Wochen Jans Iveco Daily „Kluti“ geparkt hatte. Auf der Fahrt dorthin übersah mich ein Ford Fiesta, sodass ich mit den Spikes eine deutlich hörbare Querfurche mit dem Hinterrad in den Asphalt kratzen musste. Natürlich im Schneeregen, denn in Deutschland war Tief „Egon“ zugange und hatte seinem Kumpel „Axel“ beim Schlechtwettermachen gut zugeschaut. Schön, die letzten Kilometer dann im Trockenen mit Heizung im Kluti bis Hamburg zurück zu legen.
In den nächsten Tagen und Wochen sortieren und rekapitulieren wir noch unsere Erlebnisse, Erfahrungen und Ausrüstung und lassen Euch auch daran noch teilhaben – damit Ihr bei Eurer eigenen Eisreise davon profitieren könnt. Die ersten Termine für Reisevorträge und Veröffentlichungen stehen auch schon – wir halten Euch auf dem Laufenden!
Und nun seid Ihr gefragt: wohin soll unsere nächste Eisreise führen?
Also ich muss schon sagen, Klasse Projekt. Ans Nordkap fahre ich in diesem Jahr auch, allerdings im August. Maximum Respekt für eure Tour!!!!
LikeLike
Dir viel Spass auf Deiner Tour! Im Sommer könnte ICH mir nicht vorstellen 🙂
LikeLike
tach Ihr beiden
Eine würdige Hochzeitsreise und ein schön geschriebener Reisebericht !
Das es an der norwegischen Küste meist Nebel und Pisswetter hat ist jetzt keine Neuigkeit, dem Golfstrom sei Dank.
Gegen Rostfrass setze ich seit einigen Jahren das hier ein:
https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=Fluid+Film+Liquid+A+Rostschutz+1+Liter
Ein Liter reich für mein Gespann. Im direkten Spritzbereich z.B. Schwinge muss man es schon mal erneuern, ansonsten hält es den ganzen Winter lang.
Mit einem heissen Dampfstrahler bekommt man es auch wieder ab.
bis die Tage
Aynchel
LikeLike
Leider ist norwegische Küste mit Hurtigroute die sicherste Nummer, um vom Nordkap im Winter wieder weg zu kommen. Nur 1 Tag später war alles gesperrt oder Konvoipflicht – die oft keine Motorräder mitnehmen. War schon richtig so, aber trotzdem scheiße.
Gegen Rost haben wir ein super Spray von Putoline (PPF-52), das hat sich halt an Rasten, Gepäckbrücke etc. über die tausende Kilometer „abgearbeitet“, an Rahmen, Schwinge etc. ist es top und alles rostfrei. Sehr gut das Zeug!
https://www.putoline.com/de/produktkatalog/product/553/ppf-52-spray/1826/
LikeLike
Die über querung der behring strasse..
Dann seit ihr die ersten
LikeLike
Aufgrund des Klimawandels schwierig ohne Schwimmflügel 🙂 Hab mich vor über 10 Jahren Mal mit auseinander gesetzt. Solange die kleine Pet nicht schwimmen gelernt hat, dtelle ich mir das schwierig vor 🙂
LikeLike
ALASKA, GRÖNLAND, TAIGA, TUNDRA… zur richtigen Zeit …
LikeLike
Taiga, Tundra: abgehakt. 🙂 Grönland spukt mir auch im Kopf rum… 🙂
LikeLike
wie wäre es wenn ihr nach Island fahrt?
LikeLike
Ist es da im Winter nicht auch eher norwegisch nass und pampig matschig? Hast Du Erfahrungen?
LikeLike
Hab mich bei ner Freundin auf Island erkundigt: Winter dort bedeutet Regen Regen Regen und Usgrade. Also doch keine Alternative für uns. 😦
LikeLike
Oimjakon in Sibirien ist ja angeblich der kälteste Ort der Welt. Da könntet ihr ja mal testen, ob bei -56 Grad die Motorräder noch fahren 😂
LikeLike
Hihi, wenn Du mit kommst und Anschieben hilfst! 🙂
Andererseits: wir hatten auch mit den -37 nicht gerechnet und es hat alles funktioniert. Behalte ich im Hinterkopf 🙂
LikeLike
Schön, dass Ihr heile zurück seid und es offensichtlich so faszinierend war, dass ihr gleich die nächste Eisreise planen möchtet – es läuft übrigens gerade jetzt im Ersten eine Dokumentation zur Arktis – vielleicht nichts zum Motorradfahren, aber doch für schöne Erinnerungen an schneeweiße und eisig-heiße Flitterwochen. Hätte sonst auch Island empfohlen…aber ist ja wohl eher durchgefallen…vielleicht schaut ihr mal auf den Regendurchschnitt der Jahre und es kommt doch noch in Frage. Ansonsten kann es ja auch schön sein, durch sonnige Regionen zu reisen…
Freue mich bald mehr Reisedetails von Euch zu hören und zu sehen… War auf jeden Fall eine super Berichterstattung. Danke!
LikeLike
Hallo Beate,
wir sind immer noch auf der Autobahn von HH Richtung KR – und haben gar keinen Fernseher 🙂 Jan schaut aber morgen Mal in der Mediathek, Danke für dwn Tipp!
Für mehr Reiseberichte von uns schicke ich Dir nen Link PRIVAT 🙂
LikeLike
Servus Ihr zwei Eisreisenden,
bin durch ein Motorrad-Forum auf Euch und Euer Projekt aufmerksam geworden und staune noch immer über dieses verrückte Unterfangen. Toll, dass Ihr den Mut aufgebracht habt, zu starten und noch viel besser, dass Ihr wohlbehalten zurück seid.
Nachdem Ihr Grönland ja auch schon auf dem Schirm habt – wie wär’s denn mit Alaska resp. Kanada? Klondike-Feeling… Oder Rocky Mountains, Champagne-Powder genießen – der Anspruch wird sein, eine Skiausrüstung auf dem Motorrad mitzunehmen… ;-)))
So oder so, viel Spaß beim „brainen“ und alles Gute für Euch und Eure Projekte! Herrelich, dass es so Verrückte wie Euch gibt, die uns Normalos den Winter verkürzen.
Ciao, R.
LikeLike
Mit Island habe ich gar keine Erfahrungen. Möchte da aber auch noch hin.
LikeLike
Im Sommer möchte ich da mit meiner WR und Begleitfahrzeug auvh Mal hin. Im Winter ist da nuuuuuur Regen 😦
LikeLike
Hallo Ihr Beiden, Eure verrückte Idee bewundere ich sehr. Der Reisebericht ist so lebendig und authentisch geschrieben. Klasse! Vielen Dank.
Der Norden Kanadas bzw. Alaska steht bei mir noch auf der Liste…
Euch weiterhin eine gute und unfallfreie Fahrt und Respekt für Eure Leistung.
Viele Grüße
Thomas
http://www.panamericana2016.de
LikeLike