Gleich nach dem verfrühten Aufwachen ging der Blick zum Handy auf die Seite der norwegischen Straßenwacht (www.175.no ), um zu sehen, was es Neues über die Straße zum Nordkap gibt. Da stand „Konvoi!“ – aber das stand da vor dem Einschlafen auch. War die Seite aktualisiert worden? War ich zu früh? Galt das für heute? Beim Frühstück fragten wie die „Herbergsmutter“ (heißen die heute noch so?), was ihr Telefonat ergeben hatte. Ja, es gäbe einen Konvoi, der um 11 Uhr auf den letzten 13 Kilometern Pflicht sei.
Also los! Wir hatten über Nacht unsere Motorräder mit den Putoline Regenponchos gegen Schnee abgedeckt, um nicht wieder morgens zum (nicht vorhandenen) Besen greifen zu müssen. Obwohl ich meinen Poncho überall mit Wäscheklammern fixiert hatte, riss er aufgrund der Kälte (-10°C) wie ein Blatt Papier in Fetzen. Schade drum, aber immerhin war die kleine Pet nicht zugeschneit und es konnte los gehen! Auf dem Weg zum Konvoi-Sammelpunkt war uns nicht klar, ob der Schneepflug auch Motorräder im Konvoi akzeptieren würde. Wir wussten, dass dies manche Schneepflugfahrer aus Sicherheitsgründen ablehnen.
Allein der Weg zum Sammelpunkt setze schon ein Zeichen: der Wind blies so heftig, dass es im Helm seitwärts den Schnee herein trieb! Offensichtlich sind solche Helme nur für höhere Windgeschwindigkeiten von vorne ausgelegt… Am Sammelpunkt angekommen entdeckte Jan, dass sich der Stopfen seiner Ventildeckeldichtung wieder gelöst hatte und die Tenere wieder munter Öl herum sprühte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Stopfen wieder hinein zu drücken und zu hoffen, dass es die 13km bis zum Nordkap reicht!
Insgesamt reihten sich 12 Fahrzeuge hinter dem Schneepflug ein und es hatte keiner etwas gegen uns – im Gegenteil: fast zum ersten Mal auf der Tour sprach man uns sogar darauf an. Ein Wohnmobilist schien jeden Winter hier zu sein, denn „letztes Jahr war da so ein ganz junger Italiener hier, der hatte Skier am Motorrad befestigt, damit er fahren konnte!“. Wir wissen nicht, was der Italiener mit seinen Skiern am Motorrad wollte, wir zumindest haben noch keine vermisst – und auch der Tipp eines anderen Nordkapfahrers „unbedingt ein Motorrad zu wählen, das niedrig ist, um mit den Füßen stabilisierend mit gleiten zu können“ ist uns noch schleierhaft. Bisher gab es auch dafür keinen Grund – und selbst wenn, für sowas bin ich eh zu klein!
Vor dem „Start“ machte sich ein bekanntes Gefühl aus meiner Magengegend bemerkbar. Auch Jan hatte und kannte es: das Gefühl, mit dem Rallyemotorrad vor der ersten Etappe an der Startlinie zu stehen, nicht zu wissen, was einen erwartet, ob man die Strecke meistern kann, was der Weg so bringt. Etwas weiche Knie bei dem Gedanken, mit Autos im Nacken, starkem Seitenwind und dichtem Schneetreiben eine schmale Straße fahren zu müssen – bei vorgegebenem Tempo und keiner Chance, die Strecke zu verlassen. Ich bat das schwedische Auto hinter uns um etwas größeren Abstand, um das Gefühl in der Magengegend zu beruhigen. Und wie immer am Start: kaum rollt das Motorrad die ersten Meter, geht doch alles von selbst!
Der Konvoi rollte los und Frau Holle gab alles. Der Schnee peitschte nur so über die schmale Straße, sodass man kaum das vorausfahrende Auto sehen konnte und sich schon nach 5 oder 6 Fahrzeugen wieder Schneewehen bildeten. Der Konvoi hinterm Schneepflug machte wirklich Sinn! Das Nordkap versank samt Besucherzentrum im Schnee, wir warteten eine Weile, bis die Wolken kurz aufrissen und wir einen Blick auf die Umgebung erhaschen und wenige Fotos machen konnten. Dann war Frau Holle wieder da und schüttelte ihre Betten wie ein Weltmeister!
Eine Stunde nach unserem Konvoi kam ein Konvoi aus 6 Reisebussen mit Kreuzfahrtgästen, die uns höflich und anerkennend um Fotos baten und an der Bar mit Sekt auf ihre „Leistung“ anstießen. Wir bestellten Cola. Überhaupt. Nach all dem, was wir auf dem Weg hierher erlebt hatten, war das Nordkap zwar das Ziel dieser ungewöhnlichen Hochzeitsreise, aber ziemlich unspektakulär und Nebensache. Hauptsache, zusammen!
Irgendwo rund ums Nordkap hat Jan seinen Zündschlüssel verloren – an dem auch die Schlüssel für die Alukoffer hingen! Dass er es innerhalb von keinen drei Minuten im Schneegestöber schaffte, trotz Vorhängeschloss in seine eigenen Alukoffer einzubrechen, um den Ersatzschlüssel heraus zu holen, war für mich nur wieder ein Beweis, dass es sich mit meinen Ortliebtaschen genauso „einbruchsicher“ reist wie mit Alukoffern! Gut, dass Jans „Einbruch“ so schnell ging, denn der Konvoi zurück startete um 13:45, kurz nach dem erfolgreichen Auffinden des Zweitschlüssels!
Die nun folgenden Kilometer gehören eindeutig zu den bisher anspruchsvollsten Metern der gesamten Reise. Weil dies der letzte Konvoi vor dem Abend war, reihte sich eine ellenlange Schlange hinter dem Schneepflug ein. Und wir mittendrin. Dadurch, dass der Schneepflug die Strecke mindestens 3x schon zurück gelegt hatte, war der frische Schnee wie glattpoliert und ohne jegliche Haftung. Insbesondere in den engen Kurven bei 9% Gefälle schob auch die kleine Pet mit all ihrer Kraft übers Vorderrad, sodass ich meine liebe Mühe mit ihr hatte. Jan hinter mir kämpfte mit dem wieder mal eingefrorenem Chokezug, der seine Super Tenere mit fröhlichen 4500 Umdrehungen munter Richtung Tal schob und dabei Jan ganz schön zum Schwitzen brachte. Insbesondere dann, als vor lauter Bremsen dann auch noch die Hinterradbremse heiß lief! Und das alles mit einer Kolonne Autos im Nacken, von denen so manches Wohnmobil ganz sicher keine Spikes hatte und ganz bestimmt nicht punktgenau zum Stehen kommen würde, sollte die kleine Pet oder Jans Super Tenere eine zu große Schräglage wählen…
Wir kamen heile in Honnigsvag an und als wir nach einer kleinen Stadtrundfahrt tankten, warnte uns ein Norweger, wir sollten bitte nicht ins Inland fahren, dort sei es gerade jetzt -33°C kalt! Naja, nett, aber gestern war dort es noch kälter! Jan fuhr von der Tankstelle aus direkt in den 4km langen Tunnel vor Honnigsvag, weil die Nothaltebuchten dort ideale Schrauberplätze sind. Während ich unter der Wolldecke in der Jugendherberge diese Zeilen tippte, kümmerte er sich bei gemütlichen +5°C, guter Beleuchtung und ohne Wind und Schneetreiben um die erneute Abdichtung des Ventildeckels und den ständig fest frierenden Chokezug. Wie wir gestern bei der Anreise gesehen hatten, machen das viele Norweger so: sich im Tunnel ums Auto kümmern! Und Autos auftauen. Und Joggen. 🙂
Morgen legen wir um 5:45 mit der Hurtigroute ab und fahren bis Oksfjord und umgehen so die -40°C kalte Hochebene, über die wir gestern gekommen sind. Ab Oksfjord geht es dann weiter auf die Lofoten, von wo aus wir wieder „ein paar Meter“ mit der Hurtigroute fahren. Wir halten Euch auf dem Laufenden! Schon jetzt ein DICKES DANKE an alle, die uns diese Reise ermöglicht haben!!!
Danke für deinen tollen Bericht.
Ich bewundere euch für eure wahnsinns Leistung 👍👍 Weiter viel Freude und Zufriedenheit bei eurer Tour.
VG Christoph
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Hallo ich lese jede eurer Nachrichten, schon irre das bei solcher Kälte noch Motorrad gefahren werden kann. Ich hab bei 5 Grad schon keine Lust mehr auf den Bock.
Euch weiterhin viel Vergnügen, Glück möge euch nicht verlassen.
Gruß
Frank
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Alles nur eine Frage von Klamotten und Vorbereitung des Motorrades! Gar nicht schwer!
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Meine Hochachtung vor Eurer Leistung. Die Idee zu haben , diese dann unter widrigsten Bedingungen umzusetzen, das Ziel zu ereichen…. Hut ab.
Ich wünsche Euch für den weiteren Weg alles Gute.
Ich lese mit Begeisterung den Reisebericht, weiter bitte….
Grüße André
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Ich glaube, außer uns hat keiner so wirklich dran geglaubt 🙂
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Super Bericht und tolle Bilder. Mein größter Respekt vor eurer Leistung. Ihr genießt es wirklich. Hier in Berlin werden morgen auch um die – 8°C. Mir reicht das schon. Aber minus 35°C ist schon der Hammer und dann auch noch fahren.
Ich wünsche euch noch eine wunderschöne Reise und hoffe, dass ihr die technischen Handicaps in den Griff bekommt. Freue mich schon auf weitere Berichte und Bilder.
Gruß Heiko
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Alles nur eine Frage der Ausrüstung und des Kopfes, der sich darunter einmummelt 🙂
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Alles nur eine Frage der Ausrüstung und des Kopfes, der sich darunter einmummelt 🙂
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Liebe Silke,
das mit dem niedrigen Motorrad, um mit den Füßen während der Fahrt zu stabilisieren zu können, (wie soll das denn funktionieren mit Spikes unter den Stiefeln?), musst du falsch verstanden haben:
Der Nordkapfahrer hatte vermutlich die harten Naturburschen in der Mongolei bzw. Sibirien im Hinterkopf, die mit Fellmütze statt Helm auf dem Kopf und kleinen Mopeds mit abgefahrenen Straßenreifen unterwegs sind. Auf Glatteisflächen sorgen diese beim Anfahren mit den Füßen für den erforderlichen Vortrieb, während die Kreiselkraft des mit hoher Umdrehungszahl durchdrehenden Hinterrades für die Stabilisierung des Mopeds sorgt. Wenn du deine DR mit dem Niedriglegekit einer SHC ausrüstest, kannst du diese Technik problemlos auch mal ausprobieren 😉
Euch noch viel Spaß und vor allen Dingen durchhaltende Lichtmaschinen, damit ihr nicht doch noch ein Lagerfeuer bei euren Zwischenstopps entzünden müsst,
lG von Michael aus Köln
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Jener welcher Nordkapfahrer kommt aus Holland und er riet mir auch tatsächlich von Schuhspikes ab deswegen 🙂
Die „Naturburschenvariante“ überlasse ich dann doch „echten Kerlen“, das scheint mir zu gefährlich für Mädchen! 🙂
LiMa bringt konstant über 13V Ladespannung, trotz Heizvisier etc. Alles tipitopi mit der süßen DR! 🙂
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Hallo Ihr Zwei,
Ich hatte euch schon mal geschrieben, dass ich in diesem jahr ebenfalls ans nordkapp möchte. Nun sitze ich gerade am Nordkapp, und kann mir wirklich nicht erklären, wie man die Strecke im Winter bewältigen kann. Meinen großen Respekt dafür!.
Gruß
Christian
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Hallo Christian,
WOW – Grüße vom Nordkap – Danke! Das ist ja was Besonderes!
Wie man die Streck im Winter bewältigen kann, hast Du ja gelesen. So wie Du im Sommer: einfach machen! 🙂
Dir eine wunderschöne Rückreise bei trockenem Wetter (bei uns war ja nur Mistwetter),
Silke
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