Wem beim Lesen der letzten Blogposts kalt wurde, der sollte jetzt besser nochmal aufstehen und sich Wärmflasche, Wolldecke und ein Heißgetränk bereit stellen. Es wird kalt!

img_0751-kopieAm 31.12. fiel der Abschied aus dem Inbegriff schwedischer Holzhausromantik richtig schwer. Weil Samstag war und Jan da bei uns daheim immer ein „Wochenendfrühstück“ zaubert, haben wir uns mit dem Aufbruch auch Zeit gelassen und bei Brötchen, Lachs, Rührei und Orangensaft den Vögeln im Schnee zugeschaut.

Die Moppeds sprangen bei -9°C sauber an, nur bei Jan blieb der Chokezug hängen. Nicht der Zug selber (den hatte ich ihm in ausgehängtem Zustand mit so viel Waffenöl geflutet, dass es in Strömen unten heraus lief), sondern die Mechanik selber, auf die der Zug greift. Nach einigen Kilometern taute dies aber wieder auf. Die kleine Pet hat sich ausgedacht, bei Öltemperaturen unter -9°C das Neutrallämpchen leuchten zu lassen – unabhängig davon, ob man gerade mit 80km/h vor sich hin rollt oder tatsächlich im Neutralgang steht. Auch das „Problemchen“ erledigt sich immer nach einigen Kilometern von selbst.

img_0798-kopieWir hatten nur knappe 120km bis zum Eishotel in Jukasjärvi bei Kiruna zurück zu legen, davon etwa 30km auf der Europastraße und bei relativ konstant -15°C. Wer übrigens meint, eine Europastraße sei geräumt und gestreut, der irrt gewaltig! Wir sind bisher nicht viele Kilometer auf den „Großen E“ gefahren, aber jedes Mal waren diese auch komplett vereist mit Schneestreifen zwischen zwei Eisreifenspuren. Der Unterschied ist, dass „Hinz und Kunz“ auf den großen Straßen herum fahren, also viel Verkehr ist und die vielen LKW extrem nerven. Die Nebenstrecken, die wir fahren, sind wenig befahren und meist geschlossene Schnee- und Eisdecke, wunderschöne Landschaft und absolute Ruhe!

img_0823-kopieIm Eishotel angekommen ernteten wir einige ungläubige Blicke, dann gingen wir mit unseren „Teletubby“ Anzügen in der Masse unter. Jeder Gast des Hotels bekommt für die Dauer seines Aufenthaltes einen Schneeoverall gestellt, auf Wunsch auch Mütze, Handschuhe und Stiefel.

img_0862-kopieMan kann im Eishotel in „Cold Rooms“ übernachten, also denen aus Eis, und in „Warm Rooms, kleinen roten schwedischen Hüttchen. Wir hatten unser „Cold Room“, durften das aber erst ab 18 Uhr nutzen, denn vorher ist das Eishotel eine Sehenswürdigkeit, die Eintritt kostet, der sich aber lohnt!

p1080262-kopieWir betraten das Eishotel mit den anderen Besuchern durch den Haupteingang und kamen aus dem Staunen nicht heraus! Es übertraf unsere komplette Vorstellungskraft! Einmalig schön! Die teuersten Zimmer sind von handverlesenen Künstlern erschaffen, mit teils verträumten Themen „Infinite Love“ bis hin zu gruseligen Gestaltungen wie „La petite morte“, wo das Bett in einem aufgerissenen Katzenmaul steht, umgeben von Katzenkrallen, die beim Betreten nach den Gästen greifen. Jedes Zimmer für sich einzigartig und atemberaubend! Unser „Standartzimmer“ bestand „nur“ aus riesigen Eiskristallen, inmitten derer das Bett thronte.

p1080258-kopieIm Eishotel herrschen immer Temperaturen von -5 bis -8°C, sodass man als Übernachtungsgast eine „how to survive a subzero night“ Schulung bekommt. Dabei bekam man eigentlich nur erklärt, wie man in einem Schlafsack mit Inlay schläft. Im Zimmer selbst gibt es in der „Billigklasse“ außer dem Bett keine Eismöbel, sodass man alles Gepäck in großen Schließfächern im Umkleideraum verstaut.

img_0767-kopieWer wie wir seine Akkus aufladen möchte / muss, kann dafür ein Mini-Schließfach mit einer Steckdose haben. Es ist wirklich für alles gesorgt! Wem es zu kalt wird, kann sich in der Sauna aufwärmen und literweise kostenfreien heissen Preiselbeersaft trinken. Oder Flusswasser, direkt aus dem Tome Fluss, an und aus dem das Eishotel gebaut ist.

p1080264-kopieWir hatten um 21 Uhr unser Silvesterdinner im Restaurant des Eishotels reserviert, zu dem spontan auch Wilm mit Sohn Finn anreiste, die gerade mit Finns altem Volvo auf „Vater-Sohn-Volvo-Roadtour“ hier unterwegs sind! Vor zwei Jahren hatten wir in Wuppertal zusammen Silvester gefeiert, nun taten wir das im Eishotel! Das Essen selbst war mehr als exquisit, das Restaurant zählt angeblich zu den 5 besten Restaurants Schwedens. Das Silvesteressen und die Nacht im Eishotel hatten wir uns als „Hochzeitsnacht“ von lieben Freunden zur Hochzeit schenken lassen, die uns dazu fast wirklichkeitsgetreue Eishotels gebastelt hatten!

img_0780-kopieMitten beim Risotto leerte sich plötzlich der Saal und alle strömten ins Freie. Wir dachten zunächst, es handele sich um eine kollektive Raucherpause, bis uns vom Nebentisch der Hinweis gereicht wurde: „Aurora!“. Und tatsächlich: da waberte ein sehr blassgrünes Nordlicht in breitem Streifen über den Himmel! Silvester war perfekt! Es war mein erstes Nordlicht und ich war erstaunt, dass man die Sterne dahinter sehen kann! Fotografieren lässt sich das Nordlicht schlecht – zumindest hatten wir nur die „kleine Knipse“ einstecken und da sieht man wenig im schwarzen Nachthimmel…

img_0797-kopieKurz vor Mitternacht strömten alle auf den zugefrorenen Fluss, wo wunderschön mit Teelichtern dekoriert war. Man konnte Papierballons steigen lassen und Wilm, Finn, Jan und ich haben mit heißem Preiselbeersaft auf das neue Jahr angestoßen. Es war SO SCHÖN! Eines der schönsten Silvester überhaupt! Nur ohne „Teletubby“ doch ziemlich kalt, sodass Wilm und Finn gegen 0:30 in ihre Unterkunft nach Kiruna fuhren und wir in unser Eiszimmer einzogen. Dazu bekommt man einen Haglöffs Schlafsack und, ganz toll, die gibt es auch als Doppelschlafsack! Davon habe ich schon immer geträumt! So kuschelten wir uns dann in einen riesigen Schlafsack und verbrachten eine traumhafte Eisnacht! Falls Ihr Euch für Details der Hochzeitsnacht interessiert: es wird in 9 Monaten kein Software-Update geben!

img_0914-kopieWir haben den Weckdienst für 7:15 bestellt, weil wir das wenige Tageslicht, das es hier noch gibt, zum Fahren nutzen möchten. Der Weckdienst kommt sehr nett mit einem Spezialrucksack, aus dem heißer Preiselbeersaft ans Bett serviert wird! Das Frühstück ist umfangreich, wobei ich von der Fähre an immer nur heißen Getreidebrei wähle, der überall anders schmeckt, aber immer lecker! Scheint eine skandinavische Frühstücksspezialität zu sein!

img_0918-kopieMit Erlaubnis des Hotels durften wir mit den Motorrädern durch die Hotelanlage fahren und direkt vor dem Haupteingang des Eishotels Fotos machen! So cool! Übrigens auch cool: innerhalb der Anlage ist der Schnee von 1000 Füßen eisglatt festgetreten, sodass man an der Rezeption Schuhspikes kaufen kann und es insbesondere bergauf sehr rutschig ist. Mit den Motorrädern jedoch fährt es sich viel besser, als dass es sich läuft!

p1080278-kopieUm zum ersten Tagesziel des neuen Jahres zu kommen, standen 230km auf dem Programm, davon die ersten 60km wieder rückwärts , zum Teil auch auf der Europastraße. Dort lief eine arme verwirrte Elchkuh am Zaun entlang. Der erste Elch dieser Reise, Gott sei Dank bei „Tageslicht“ und abseits der Straße und nicht darauf! Wir bogen auf eine kleinere Straße Richtung Hetta ab und wurden mit neuen Straßenverhältnissen überrascht: eine Eisschlaglochpiste! Wahrscheinlich ist unser Gabelöl seeeehr zäh, jedenfalls zerrüttelt diese Eislochpiste ganz schön die Handgelenke! Das Thermometer bewegte sich den ganzen Tag nicht von -12,8°C weg, sodass die Lösung wie so oft in der Geschwindigkeit liegt: ab 70km/h gleiten die Motorräder über die Löcher und alles rollt locker dahin. Landschaftlich waren wir in der Tundra angekommen: Steppe mit ein paar Sträuchern, sonst nix.

img_0760-kopieLocker, aber immer mit wachsamem Auge in die Ferne, denn nicht nur die wirre Elchkuh begegnete uns am Straßenrand, auch Rentiere. Bis zum Bauch im Schnee stehend sehen sie zunächst aus wie schneefreie Felsen im Straßengraben, aber wenn man weiß, worauf man achten muss, erkennt man sie auch bei Dämmerlicht. Entspannt aber im Dunkeln rollten wir bei unserer Unterkunft auf den Hof. Es war das einzige freie Bett im Umkreis von knapp 100km gewesen, denn Hetta hat, wie wir vor Ort erfuhren, ein Rollfeld, auf dem alle 3 bis 4 Tage ein Flieger aus England Winterurlauber nach Lappland bringt. Mit all diesen saßen wir nach einem Saunagang dann in einem absolut urigen Speisesaal, der aussah wie eine Skihütte aus den 1960ern.

img_0945-kopieAls wir am Morgen des 2.1. unsere Motorräder mit einem Besen von Neuschnee befreiten, kam der Busfahrer eines Reisebuses zu uns, nachdem er eine Gruppe Engländer zu einer Rentierfarm gebracht hatte. Er erkundigte sich nach unserer Route und riet uns dann davon ab. Wir wollten ursprünglich über Kautokeino nach Karasjok fahren, jedoch sei diese Straße in schlechtem Zustand, voll Schlaglöcher, sehr eng, viele Kurven, viele Auf- und Abfahrten und wahrscheinlich schlecht geräumt. Wobei sich „geräumt“ hier nur darauf bezieht, dass frische Schneemassen entfernt werden und dadurch die Eisschicht nur noch mehr Längsrillen bekommt. Er riet uns zur Route über Alta. Da er regelmäßig Touristen zum Nordkapp fährt und selbst aus Alta kam, haben wir seinen Ratschlag angenommen und umdisponiert. Natürlich hatte er auch einen Campingplatz für uns parat. Also los!

p1080281-kopie-2Das Thermometer an der geschützten Hauswand zeigte -15,8°C, da war klar: das wird heute kalt! Die kleine Pet wollte gerne anspringen, jedoch reichte mir die Kraft (oder das Körpergewicht?) nicht, um den Kickstarter mit genug „Schmackes“ zu treten. Als Jan zutrat, schnurrte sie gleich los. Außerhalb der „Stadt“grenze von Hetta fiel das Thermometer sofort auf -20°C und tröpfelte beständig abwärts, bis es sich bei -25°C einpendelte. Beim Tankstopp in Kautekeino war mein Tankdeckel zugefroren, sodass ich versuchte, ihn mit Türschlossenteiser zu öffnen. Auch das ist eine Erfahrung: das Zeug läuft flüssig wie Wasser aus der Flasche, weil es in Jans Daunenjacke am Körper mit reist. Auf meinem Plastiktankdeckel wurde der Enteiser dann sofort zäh, sodass nur ein paar beherzte Schläge mit der Benzinpistole der Tanksäule halfen.

p1080282-kopieRund um Kautokeino war die Luft trotz ihrer -25°C extrem feucht und neblig, sodass Jans defektes Heizvisier komplett zufror und wir von außen eine Eisschicht an den Klamotten, Motorrädern und Gepäck ansammelten. Daher wohl auch der gefrorene Tankdeckel! Wir können uns nicht vorstellen, wie es möglich ist, dass so kalte Luft so viel Feuchtigkeit enthält! Dies führte auf der Weiterfahrt bei Temperaturen bis -28,8°C dazu, dass mein Heizvisier nur noch so viel schaffte, dass ein kleiner Sichtbereich frei blieb. Der Rest des Visiers beschlug und ich hätte es gerne gelegentlich frei gewischt, aber das Visier war am Helm fest gefroren! Jan hatte vom Eisnebel weiße Augenbrauen und ab und zu aneinander klebende Wimpern.

img_0815-kopieTrotz der eisigen Kälte war uns selbst aber gar nicht kalt! Wir hätten sogar beide noch „aufrüsten“ können, mussten das aber nicht! Jan spürte den kalten Fahrtwind etwas an den Oberschenkeln, ich an den Oberarmen, das war’s. Eine kuriose Kältestelle hatten wir beide: als wir nach knapp 7 Stunden Alta erreichten, war meine linke Ferse schmerzend kalt, Jans rechte Ferse. Ansonsten wunderten wir uns über zwei Autos, die in einer ausgeschilderten (!) Linkskurve unabhängig voneinander im Tiefschnee gelandet waren. Und darüber, dass wir trotz voller „Tannenbaumbeleuchtung“ mit Aufblendlicht und zwei Zusatzscheinwerfern ziemlich wenig sahen. Später fanden wir heraus: die feuchte Luft hatte nicht nur uns vereist, sondern auch die Lampen!

p1080288-kopieEs ging einen spektakulären Canyon nach Alta hinunter, jedoch haben wir davon keine Fotos, denn 1. war es dunkel und 2. war den Kameras der Saft ausgegangen. Die extreme Kälte ist für all unsere Elektronik nicht einfach. Auch zum Beispiel unsere Laptops brauchen nach Ankunft immer erst einige Stunden Akklimatisierung, um gefahrlos und ohne Kondenswasserschäden betrieben werden zu können, Dies ist auch ein Grund, warum ihr nur selten von uns lest: meist ist es recht spät, wenn die Geräte bereit sind und dann reicht die Zeit meist nur für das Nötigste, wie z.B. das Sichern aller Bild- und Videodateien von 3 Kameras und 2 Actioncams. Wir stehen immer früh auf, um das wenige Licht, was wir tagsüber noch haben, zum Fahren zu nutzen. Oder für Reparaturen, die abends nicht gelöst werden können…

Bei Ankunft auf dem Campingplatz in Alta zog Jan eine Ölspur mit dem rechten Fuß über den gesamten Boden. Gut, dass es nur Linoleum war und kein Holzboden! Weil er keine Lust hatte, bei -20°C im Freien nach der Ursache zu suchen, fuhr er Richtung Stadt, wo eine Motorradwerkstatt sein sollte.

img_0834-kopieDoch Jan kam nicht weit. Nach 3km rief er mich an: Ventilabriss! Er wollte sich melden, wenn er eine Lösung habe. Er rief nicht an, also fand ich eine Lösung und fuhr die 10km vom Campingplatz nach Alta, um einen Schlauch zu besorgen. Als ich im Motorradladen ankam, war die blöde Mechanik, um den Klapphelm zu öffnen, eingefroren. Ich war im Helm gefangen, denn aus dem Ding kommt man nicht anders heraus als mit hoch geklapptem Kinnteil. So musste ich als Astronaut einkaufen…

img_0841-kopieJan brauchte einen 140er Schlauch, es gab aber in 17 Zoll nur 120er oder 160er Breite. Ich entschied mich für den 120er und kaufte gleich für die kleine Pet auch noch 4mm dicke Motocross Schläuche in Reserve, sicher ist sicher. Bisher hatten wir zwei Reifenpannen und keine war mit Flickzeug oder Pannenspray zu beheben. Übrigens zeigte sich hier wieder, was ich schon von Ulaan Bator bis Tübingen erlebt habe: 17 Zoll Schläuche sind unterwegs absolute Mangelware! 18 Zoll gibt es überall, wo man Enduro oder MX fährt, passende 17 Zoll gefühlt nur als Lottogewinn, sei es in Norwegen oder in der Mongolei, Russland oder dem Baltikum.

Als ich zurück auf den Campingplatz kam, war Jan auch schon da – ohne Motorrad. Es stellte sich heraus, dass sein Ventil etwa 50m von einem Reifenhändler abgerissen war. Dort stand sein Motorrad jetzt in der Werkstatt und am nächsten Tag um 8 wollte man mit der Arbeit beginnen, einen Schlauch habe man auch auftreiben können. Warum das Ventil einfach so in einer Baustelle im Stadtverkehr abgerissen ist? Wir wissen es nicht. Der Reifenhöker vermutet die Kälte, weiß aber auch keinen wirklichen Rat. Eventuell hätten dicke MX Schläuche das verhindert, aber wissen tun wir das wirklich nicht.

Wir ließen uns im Lädchen des Campingplatzes norwegische Fischfrikadellen empfehlen, was jedoch eine schlechte Wahl war. Wahrscheinlich werden Millionen norwegische Kinder mit dem Zeug groß gezogen, aber Fisch war da höchstens in Form von Fischmehl drin und der Kram führte dazu, dass unser Mini-Apartment bis zur Abreise nach Bratfett stank. Ab jetzt gibt’s dann halt wieder den Dauerbrenner Nudeln mit Tomatensauce…

img_0827-kopieAm nächsten Morgen hat die kleine Pet Taxi gespielt und ich habe Jan zum Reifendienst gefahren. Dort stand die Super Tenere, hatte eine Ölpfütze hinterlassen und zeigte ihr Problem: wahrscheinlich aufgrund der Kälte (oder des fortgeschrittenen Alters?) hatte sich ein Gummipfropfen aus der Ventildeckeldichtung gelöst und einige Millimeter geöffnet. Daraus sprühte das Öl auf die ganze rechte Seite – und das nicht zu knapp! Jan konnte den Stopfen wieder einsetzen und mit Silikondichtmasse zusätzlich fixieren.

img_0828-kopieWährenddessen murkste sich der Reifenmensch „Kim“ mit dem Schlauch einen ab. Es stellte sich heraus, dass er sich am Vorabend für den größeren der beiden im Ort verfügbaren Schlauchtypen entschieden hatte und das nicht so richtig passen wollte. Also wieder zu zweit bei immer noch -22°C zurück zum Campingplatz, wo ja meine Einkäufe lagerten – und Jan fuhr mit dem 120er Schlauch wieder zurück. Der passte besser und so konnten wir gegen halb 12 die Fahrt Richtung Nordkap endlich fortsetzen.

p1080291-kopieDer Campingplatzwirt rief uns noch zu, es wäre kalt: -24°C! Er irrte sich um zwei Grad, es waren bei Abfahrt in Alta nur 22,2°C. Wem jetzt noch nicht kalt ist, der sollte besser nochmal aufstehen und sich doch die Wärmflasche holen…

Wir bogen auf die Europastraße ein und hatten eine tief verspurte und zerfurchte Straße vor uns, denn vor einigen Tagen hatte es getaut und zusätzlich besteht im Winter Schneekettenpflicht für LKW, die das ganze Eis unförmig zerschlagen. Geradeaus kein Problem, aber um aufs 400m hohe Fjäll hoch zu kommen, gab es eine Menge Kurven, in denen die Geschwindigkeit einfach nicht hoch genug werden kann, um mit den Rillen klar zu kommen. Später auf dem Fjäll wurde es besser, da kann man die Kiste geradeaus laufen und unter sich frei pendeln lassen, ganz nach dem Motto „Soll sie doch machen, was sie will!“.

p1080292-kopieEs war wun-der-schön! Leider auch bitt-ter-kalt, denn mit jedem Höhenmeter fiel die an sich schon frostige Temperatur noch tiefer. Letztendlich fiel sie auf -36,7°C, meine Kamera war bei -32,8°C ausgestiegen, Jans wollte schon früher nicht mehr fokussieren. Auch die kleine Pett wollte nicht mehr so recht und Jan hatte mit seiner Super Ténéré ebenfalls Mühe. Bei -37°C schienen wir trotz Additiven an der Grenze der Vergasermotoren angekommen zu sein, denn beide ließen sich nur mit Gewalt, viel Drehzahl und konstant Gas am Laufen halten.

Sena gibt für die Intercoms an, dass sie bis -10°C funktionieren. Das ist deutlich untertrieben. Bei -20°C halten sie immerhin noch etwa 3 bis 4 Stunden, bei -25°C auch noch 2 Stunden. Nur bei -35°C war nach 20 Minuten Schluss – aber das ist fast das Vierfache der angegebenen Temperatur, also absolut top!

p1080289-kopieAm Vortag hatte meine kleine Pet bei -25°C eine Öltemperatur von 65°C, das fand ich eigentlich ganz o.k., doch bei rund -37°C schaffte sie gerade Mal 40°C. Ich vertraue dem guten Putoline Öl und gab der Kleinen die Sporen, zog an Jan vorbei, trieb sie über das Fjäll, damit ja nicht der Motor abstirbt. Mein Heizvisier fror zu, ich sah kaum noch etwas und flog weiter über Eis und Schnee, immer in der Hoffnung, die Eisbrocken, die vorausfahrende Autos gelegentlich verloren und in den Weg legten, rechtzeitig zu sehen und aus den dichten Schneewolken, die entgegenkommende LKW verursachten, auch wieder heile heraus zu kommen. Jan schoß hinter mir her und erst als bei Skaidi eine Tankstelle kam, hielt ich an, weil ich dringend das Visier auftauen musste.

Wir betraten die Tankstelle und ernteten ungläubige Blicke: ein LKW Fahrer fragte, ob wir denn nicht wüssten, dass es -37°C sei? Ja, wussten wir, aber daran konnten wir nichts ändern. Ein Heißgetränk später sprangen unsere beiden Gott sei Dank wieder an und wir kurvten zur Küste hinunter, wo herrlich entspannende -12°C herrschten.

Mit der Entspannung war es nicht weit, denn es begann, zu schneien und zu stürmen, sodass die letzten 99 der 220 Tageskilometer doch noch eine kleine Herausforderung wurden. Aber auch hier galt: einfach in den Wind legen, locker bleiben und den Spikes und der kleinen Pet vertrauen. So kamen wir ziemlich abgekämpft in Honnigsvag in der ausgebuchten Jugendherberge an und merkten erst im Warmen, wie sehr der Kälteritt an unseren Kräften gezehrt hatte. Mindestens 50km waren wir bei mindestens -35°C unterwegs, danach der heftige Seitenwind mit Schneetreiben im Dunkeln…

img_0810-kopieUnterwegs war uns nicht wirklich kalt, denn unsere Klamotten sind wirklich super, insbesondere die Heizhandschuhe von heizteufel.de, die richtig schön um die Fingerkuppen herum gehen und auch in der Stulpe wärmen. Die Heizsohlen schafften es bei -35°C immerhin, unsere Zehen vor Erfrierung zu schützen, ein echtes Wärmegefühl gab es aber nicht mehr. Helm und „Teletubby“ schließen bei uns beiden winddicht ab, sodass ich noch nichtmal eine Sturmhaube brauche! Überhaupt: nach dem Eisnebel bei -25°C könnten wir uns nichts anderes als einen Einteiler vorstellen, denn das Eis war in die doppelte Reißverschlußabdeckung gekrochen und säße dann bei einem Zweiteiler direkt am Bauchnabel – brr! Im Teletubby gibt es einfach nirgendwo eine Chance für Zugluft, man ist vor dem eisigsten vorstellbaren Wind wirklich dicht geschützt!

Morgen, Mittwoch, soll es ans Nordkap gehen. Wir haben nur diesen einen Versuch, denn übermorgen legen wir mit der Hurtigroute ab. Zur Zeit ist ungewiss, ob das alles klappt, denn heute bestand Konvoipflicht, morgen könnte die Straße ganz gesperrt sein, denn es schneit und stürmt die ganze Zeit. Drückt uns die Daumen!